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Warum mir Flow-Erlebnisse bei der Arbeit mit Menschen in der Natur so wichtig sind und was ich dafür tue, damit die Menschen, mit denen ich arbeite, sie erleben können
Erziehungswissenschaftler Dr. Michael Klaff `s vier Ebenen-Modell zum nachhaltigen und ethischen Lernprozess1

Kennt ihr lieben Lieblingsmenschen die Situation auch: Euer Lieblingskind ist am Spielen und hat gar keine Lust zum Essen zu kommen oder aufzuräumen? Euer Kind ist im magischen Flow und lernt gerade unglaublich viel aus eigenen Interessen, also intrinsisch motiviert. Die höchste Lernaktivität wird jetzt von ihm gelebt. Ihr unterbrecht es dabei durch „Essen kommen“. Das ist fast unmöglich und führt oft zu Frust und Streit.

Die Magie dieser Flow –Phasen wünsche ich mir als eure Begleiterin durch die Natur so oft für euch und auch für mich.

Gerne zeige ich euch den Weg von Michalel Kalff und auch meinen Weg auf, um diese Flowmomente mit euch in der Natur möglich zu machen.
Mein Ziel ist es, euch Flowmomente in der Natur zu ermöglichen, damit ihr euch geborgen und aufgehoben fühlt wenn ihr im Wald oder in Verbindung mit der Natur unterwegs seid. Wenn ich mit Kindern und ihren Lieblingsmenschen arbeite, folge ich diesem Weg, meistens intuitiv. Ihr vielleicht auch?

Zu Dr. Michael Kalff : Er ist ein Erziehungswissenschaftler aus Freiburg (D), welcher sich auf nachhaltige Entwicklung und ethische Bildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen spezialisiert hat. Mit seinem 4 Ebenen-Modell zeigt er Lieblingsmenschen und Lehrpersonen von Kindern auf, wie sie nachhaltige und ethische Lernprozesse (Lernflows) im Raum Natur unterstützen und anregen können.

1. Ebene: Ankommen in der Natur – spielerisch und sinnlich

Je mehr Sinne in einem Lernprozess angesprochen werden, umso besser kann das Gehirn Gelerntes verarbeiten, verstehen und speichern. Vielseitig angeregtes sinnliches Lernen löst zudem Emotionen aus. Etwas ist zu laut oder ganz leise, hör mal! Iii, es schmeckt scharf oder bitter! Mmm, es duftet so gut hier, ich könnte darin versinken.

Leicht lassen sich Menschen begeistern, wenn Einstiege in Themen verspielt, leicht und lustvoll gehalten werden. Spielen und sinnlich anregen ist der Zauber eines gelungenen Startes in ein Thema.

> Ein spielerischer und sinnlicher Einstieg weckt Neugierde, schafft Selbstvertrauen und bietet dadurch Sicherheit. Diese drei Einstellungshaltungen sind grundlegend für das Lernen, allgemein und auch ganz besonders in der Natur.

Beispiel Löwenzahn: Hast du schon einmal daran gerochen? Ihn probiert? Und die Blüte auch? Hast du schon einmal den Stiel gespalten und ins Wasser gehalten? Nein? Probier es aus. Hast du dir den Löwenzahn einmal ganz genau angeschaut? Schon 1000 mal? Aber aufgefallen ist dir dabei noch nie etwas? Schau nochmals hin. Es gibt noch einige Geheimnisse am Löwenzahn zu entdecken. Na, Lust bekommen?

2. Ebene: Kennenlernen der Natur – entdecken und erforschen

Mit gewecktem Interessen gehen nun die Kinder und ihre Lieblingsmenschen dem Naturphänomen, in unserem Fall, dem Löwenzahn nach. Wir Lernbegleiter:innen stellen nun das nötige Material bereit. Ein Gefäss mit Wasser, ein Tuch, ein Messer, Nadel und Faden, ein Buch. Wir stellen Fragen und beschreiben Erlebtes. Somit regen wir zum weiter denken an und verknüpfen Erlebtes mit Worten.

> Es entsteht eine intensive gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Naturthema. Dieser Moment eignet sich gut, um den Forschenden die nötigen Handwerkstechniken und Outdoorskills zu verhelfen.

Beispiel Löwenzahnkringel: Trage das Wasser vorsichtig, damit es nicht ausschwappt und du es verschüttest. Das Wasser ist kalt. Ich teile den Stiel immer mit dem Nagel und reisse ihn auf. Vielleicht brauchst du ein Messer dazu? Wo könntest du schneiden?

3. Ebene: sich einlassen auf die Natur – kreativ und fokussiert

Auf der dritten Ebene verbindet sich der oder die Lernende mit der Natur. Einzelne Sinne ?Elemente? können jetzt besser unterschieden und gezielter wahrgenommen werden. Die Lernenden beginnen ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten zu trainieren. Dabei entsteht eine tiefe, vernetzte sinnliche und berührende Emotion. Durch diese emotionale Berührung und die Interaktion sowie das Erfahrungserleben entsteht der FLOW-Moment.

> Die vorhandene Natursituation, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Lernenden, ermöglichen nun den Neugierigen einen kreativen Umgang damit. Als Lernbegleiterin mache ich die Kinder aufmerksam und rege sie an, einzelne Sinne und Techniken noch genauer zu beachten.

Am Beispiel unseres Löwenzahns: Den Löwenzahnstiel, Die Fähigkeit, die Hand ruhig zu führen und genügend den Fingernagel genügend in den Stiel zu drücken, erlaubt den Spürnasen nun, den Stiel lang längs zu trennen und damit zu experimentieren. Schau, ein Strauss ist entstanden, oder ein Spaghetti-Zwirbel, oder eine Ohrring. Ich als Begleiterin fasziniere mich für ihre Entdeckungen, benenne diese und rege an, weiter zu probieren. Jetzt ist es plötzlich super leicht, Wasser vom Brunnen zu holen oder am besten gleich das ganze Experimentierfeld an den Brunnen zu verlegen. Anstrengungen werden nun ganz leicht ertragen und ausgehalten. Plötzlich sind sie federleicht geworden.

4. Ebene: Sich identifizieren mit der Natur – meditativ und emotional berührt

Nach dem eigenen FLOW-Erlebnis fühlt sich der Mensch verbunden und als Teil der Natur. Zeit und Raum lösen sich auf und eine Geborgenheit und Vertrautheit kann gespürt werden. Dieses tiefe und emotionale Gefühl kommt einer Meditation gleich. (FLOW-Momente können durch intrinsisch motivierte Tätigkeiten entstehen, oft zu beobachten beim Spielen der Kinder aber auch durch angeleitete Tätigkeiten)

> Als Begleiter:innen ermöglichen wir den Flowenden, dass ihr gedankenverlorener Raum geschützt wird. Wir achten uns darauf, dass wir den Inspirierten genügend freie Zeit ermöglichen, damit sie ihre eigenen meditativen Momente erleben können. Ich selber lebe ihnen meine emotionale und positive Berührung durch die Natur vor.

Beispiel Löwenzahn: einige Flowende bauen eine Figur aus den Zwirbeln, oder versuchen eine Kringeloberfläche im Brunnen zu bilden. Wieder andere werden durch neue Inputs weiter getrieben und spielen Hindernislauf. Alle sind auf ihre Weise im Jetzt. Das ist gut und es gilt, dies zu respektieren.

Die höchste Lernform ist erreicht. Intuitiv habe ich mich immer schon gefreut, wenn ich um Menschen war, die flowten. Auch am eigenen Flow erfreue ich mich immer wieder. Seit ich dieses Modell kenne, erkenne ich besser diese wertvollen Momente und schütze sie mit genügend Zeit und Raum. Für mich sind dies die Würze des Alltags und die Schritte zur eigenen Reifung und Entwicklung. Egal ob bei meinen Kinder, bei mir selber, oder bei der Arbeit mit Menschengruppen.

Was nun mit dem Problem, wenn dein Lieblingskind mitten in seinem Flow zum Essen kommt soll? Seit ich den Flowmoment mehr achte, habe ich mir sanfte Übergänge überlegt, um dein Lieblingskind vom Flow wegzubekommen. Zum Beispiel durch das anstellen von Musik oder durch das mentale Vorbereiten: In fünf Minuten rufe ich dich noch einmal und dann kommst du. Du hast jetzt noch etwas Zeit um dein Spiel fertig zu spielen.

Bei meiner Arbeit mit euch wünsche ich mir, dass wir zusammen viele solche Flowmomente erleben können. Ich werde sie für euch hüten und schützen.

Ohne Sicherheit und Wohlbefinden geht es nicht

Sich wohl aufgehoben und sicher in der Natur bewegen zu können, gelingt nur dann entspannt, wenn die Grundbedürfnisse der Strolchinnen und Strolche gut gedeckt sind. Maslow`s Bedürfnispyramide ist ein guter Leitfaden, um sich und die Strolch:innen für entspannte Aufenthalte in der Natur vorzubereiten

Erste Ebene, physiologischen Grundbedürfnisse decken

Die physiologische Grundbedürfnisse jedes Menschen müssen gedeckt sein. Dazu gehört zum Beispiel genügend geschlafen zu haben, wettergerechte, warme und bequeme Kleidung zu tragen sowie gut genährt und mit Reserve-Essen ausgerüstet zu sein. Nur wenn die körperlichen Bedürfnisse gestillt sind, sind die Gwundernasen bereit für Abenteuer.

Zweite Ebene, Sicherheit gewährleisten

Ich besuche mit euch nur Plätze im Wald, bei denen ich weiss, dass sie durch Forstwarte gesichert wurden. Esst nichts, was ihr nicht 100% kennt. Notfallnummern und ein gewährleisteter Rettungsweg für Fahrzeuge sind immer vorhanden. Auch Notfallapotheke und eine Ausbildung zur Ersten Hilfe habe ich. Die Sicherheit geht immer vor, das Programm kann angepasst werden.

Dritte Ebene, Beziehung

In dieser Ebene steht das Vertrauen zum Lieblingsmenschen und zu mir als Strolchenanführerin im Zentrum. Nur wenn ihr Vertrauen habt, dass eure Lieblingsmenschen gut auf euch aufpassen und euch helfen können, damit euch nichts passiert, werdet ihr euch fallen lassen können und euch neugierig nach aussen wenden. Auch untereinander helft ihr Strolchnasen mit euer Hilfsbereitschaft, anderen gegenüber ein Gefühl von Sicherheit in der Gruppe zu gestalten.

Vierte Ebene Soziale Anerkennung.

Du bist gut, du gibst dein Bestes auch wenn das heisst, dass du dich gerade etwas zurückziehen musst. Du bist willkommen, so wie du bist. Eine wertschätzende Haltung in unserer Gruppe ist mir sehr wichtig. Nur wenn jeder von uns sich so anerkannt fühlt, wie er ist und wie er sich gerade fühlt, können wir uns öffnen und interessiert unsere Nasen in den Wind strecken. Du darfst schüchtern sein und dir Zeit lassen, bis du so weit bist, dich zu öffnen. Du bist herzlich willkommen so wie du bist.

Fünfte Ebene, Selbstverwirklichung

Sind die vorhergehenden Ebenen erreicht, werden wir uns trauen und uns zeigen so wie wir sind. Dadurch werden wir uns als selbständig erleben können, uns neugierig auf neue Lernerlebnisse einlassen und uns dabei selbst verwirklichen. Das höchste Ziel für mich.

Ich werde die fünf Ebenen achtsam in meinen Händen halten. Ich wünsche mir, dass jeder in der Gruppe seinen Teil dazu beiträgt, dass ein Ort des Vertrauens und des Loslassens entstehen kann. Dass wir uns zurückziehen können, wenn wir es brauchen aber auch neugierig voranschreiten können. Der Boden dafür soll von uns zusammen gelegt werden.

Der Wald ist für viele Kinder ein neuer „Raum“, der zuerst kennengelernt werden muss. Zwischen den Bäumen ist es still im Vergleich zu unserer „zivilisierten“ westlichen Welt. Meist erscheint es leicht in diese geheimnisvolle, ruhige Welt mit seinem eigenen Klima einzutauchen. Einzutauchen dort, wo es Zeit für originale Begegnungen unserer Umwelt hat, wo entdeckt werden darf und wo die Kinder auch wild und ausgelassen sein können. Im Wald erleben die Kinder unser Ökosystem mit allen Sinnen und erfahren alles über Kopf, Herz und Hand. Den Lehrpersonen muss auch bewusst sein, dass dieser neue Lernraum nicht nur Abenteuer, Freiheit und Entdeckergeist hervorruft, sondern dass er auch Unsicherheiten und Ängste auslösen kann ausgelöst werden können und diese in der Gruppe Platz haben dürfen. (vgl. Labudde-Dimmler, 20082)


  1. Michael Kalff, Handbuch zur Natur- und Umweltpädagogik, Tuningen: Ulmer (1994) ↩︎
  2. Marlis Labudde-Dimmler, Erlebnis Wald Natur entdecken mit Kindern, Verlag LCH Lehrmittel 4bis8, 2008/2012 ↩︎

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